Nur noch 30 Kliniken bieten Geburtshilfe an
Mainz. Landfrauen und weitere Verbände fordern dringend ein Umdenken in der Versorgung mit Kliniken für Geburtshilfe im ländlichen Raum. Hierzu wurden uns die folgenden Berichte und Forderungen zur Veröffentlichung übermittelt.
Wir fordern die wohnortnahe Versorgung mit Kliniken für Geburtshilfe und Gynäkologie im ländlichen Raum.
Mit einer Demonstration in Mainz und einer Unterschriftenaktion fordern die LandFrauen RheinlandPfalz ein Umdenken von Politik, Krankenhäusern und Krankenkassenverbänden bezüglich der Rahmenbedingungen zur Bereitstellung von Gesundheitsleistungen rund um die Geburt zum Wohle der Frauen, speziell in den ländlichen Regionen. Unterstützt werden sie dabei von der Bundeselterninitiative Mother Hood e.V. und dem Hebammen-Landesverband Rheinland – Pfalz e.V.
Seit 1991 sank deutschlandweit die Anzahl der Geburtsstationen um 40 Prozent (1991: 1.186 Geburtsstationen; 2017: 672 Geburtsstationen). Der bundesweite Trend zeichnet sich auch in Rheinland- Pfalz ab. Boten 2009 landesweit noch 52 Kliniken Geburtshilfe an, waren es 2017 nur noch 32 Standorte. In diesem Zeitraum stiegen die Geburtenzahlen an von für 30.089 auf 37.443 an. Nach den Schließungen in Daun und Germersheim im Dezember 2018 bieten momentan nun nur noch 30 Kliniken im Bundesland Geburtshilfe an.
Bei der diesjährigen Sitzung des Fachausschusses Frauen-, Sozial-, und Gesundheitspolitik des Deutschen LandFrauenverbandes (dlv) berichten die Teilnehmenden aus allen Bundesländern, dass eine wohnortnahe geburtshilfliche Versorgung Schwangerer und Gebärender in den ländlichen Regionen zunehmend problematisch ist.[1] „Wenn in der Politik davon gesprochen wird für Stadt und Land gleichwertige Lebensverhältnisse zu erhalten oder zu schaffen, dann gehört auch die Betreuung und Versorgung der Frauen und werdenden Mütter in wohnortnahen Krankenhäusern mit Gynäkologischen Abteilungen und Geburtshilfe dazu“, so Rita Lanius-Heck, Präsidentin des LandFrauenverbandes Rheinland-Nassau.
Die Schließung der Geburtshilfeabteilungen gefährdet die Sicherheit von Kind und Mutter im ländlichen Raum. Der Deutsche Landfrauenverband (dlv) fordert die Bundesregierung auf, diese Entwicklung zu stoppen und eine qualitativ hochwertige, gut erreichbare geburtshilfliche Versorgung für Frauen auf dem Land sicherzustellen, wie es im Koalitionsvertrag 2018 festgeschrieben ist. Die LandFrauen RheinlandPfalz stellen diese Forderung ebenfalls an die Landesregierung Rheinland-Pfalz.
„Unbestreitbar ist, dass die Schließung der Geburtsstationen für werdende Mütter schlimme Konsequenzen zur Folge hat“, sagt Ökonomierätin Ilse Wambsganß, Präsidentin des LandFrauenverbandes Pfalz e. V. „Wir stellen die Gesundheit der werdenden Mütter und der Kinder aufs Spiel. Es ist für beide eine echte Gefährdung, wenn wir zulassen, dass weite Wege zurückgelegt werden müssen damit viel Zeit vergeht, um medizinisch betreut zu werden. Wenn dann auch noch eine Blinddarmoperation, die 30 Minuten dauert, mehr Geld bringt, als eine Geburt, die auch mal über 20 Stunden dauern kann, dann ist ein Fehler im System. Ein sofortiges Umdenken in der Geburtshilfe ist dringend angesagt!“
„Mit der Schließung der Geburtshilfeabteilung verändert sich die komplette Infrastruktur der frauengesundheitlichen Leistungspalette“, betont Ingrid Mollnar, Vorsitzende des Hebammenlandesverbandes Rheinland-Pfalz e.V. „Die Wege für die Frauen verlängern sich auch um akut auftretende Schwangerschaftsbeschwerden abklären zu lassen. Besonders kritisch wird es an Wochenenden, Feiertagen, nachts und in der Ferienzeit. Das Gleiche gilt für Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen ab dem errechneten Geburtstermin.“
Auch weist sie darauf hin, dass längere Anfahrtswege zu früherer stationärer Aufnahme und steigender Interventionsbereitschaft der Frauen von der medizinisch nicht begründbaren Einleitung bis hin zum Kaiserschnitt einhergeht. Zudem müsse bedacht werden, dass mit Wegfall einer Geburtsklinik die Geburten in den umliegenden Kliniken steigen. Meist rasch und ohne die nötige Anpassung von Personal und Raumangebot. Dadurch verschärfen sich die ohnehin problematischen Arbeitsbedingungen in den Geburtsstationen, wo Hebammen oftmals drei, gelegentlich auch bis zu fünf Gebärende gleichzeitig betreuen.
In verschiedenen Bundesländern hatte die Bundeselterninitiative Mother Hood e.V. im vergangenen Jahr sogar Reisewarnungen ausgesprochen „Das wohnortnahe geburtshilfliche Versorgungsnetz fällt mit den Schließungen für die Frauen weg.“ so Dr. Pia Müller, Mother Hood e.V. Landeskoordination Rheinland-Pfalz „Ohne Versorgung mit geburtshilflichen Leistungen verlassen am Ende junge Familien den ländlichen Raum.“
Die Unterschriftenlisten mit den Forderungen der vier Verbände an die Landesregierung in Rheinland – Pfalz werden während der Abschlusskundgebung auf dem Gutenbergplatz an die Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demographie RLP, Sabine Bätzing-Lichenthäler, überreicht. Sie lauten:
Klare Definition der Versorgungsstufen der Grund – und Regelversorgung
Aufnahme der Geburtshilfe in die Grundversorgung der Krankenhausplanung
Koppelung der Leistungen von Grundversorgungsbestandteilen an den Versorgungsauftrag
Eindeutige Regelungen, falls dem Versorgungsauftrag nicht nachgekommen wird
Einheitliche Standards zur Erreichbarkeit (Vorschlag vdek: max. 30 PKW-Minuten in der Grundversorgung, diese müssen auch bei schlechten Witterungsbedingungen einzuhalten sein).
Identifizierung der Kliniken, bei denen die Möglichkeit einer Schließung der Geburtshilfeabteilung besteht, in der Folge sollten regelmäßige Gespräche mit den Trägern geführt werden.
Regelung der Notfallversorgung
Bei weiteren Schließungen: Festschreibung längere Übergangsphasen zur Implementierung akzeptabler Alternativen
Einsatz zur besseren Finanzierung der Geburtshilfe auf Bundesebene
Unterstützung eines Geburtshilfe-Stärkungsgesetzes auf Bundesebene, wie von den Hebammenverbänden und der Bundeselterninitiative Mother Hood e.V. vorgeschlagen.
Forderungen an die Ministerin Sabine Bätzing-Lichenthäler
Wir fordern:
Stoppt die Schließungen der Geburts- und Gynäkologiestationen in Rheinland-Pfalz
Mit ihren Unterschriften unterstützen die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner die Forderung der LandFrauen RheinlandPfalz, der Elterninitiative Mother Hood e.V. und des Hebammenlandesverbandes Rheinland-Pfalz e.V.
Wir fordern
die wohnortnahe Versorgung mit Kliniken für Geburtshilfe und Gynäkologie im ländlichen Raum und in der Stadt
keine weiteren Schließungen von Geburtshilfestationen und gynäkologischen Abteilungen
Seit Jahren geht die Anzahl der Geburtshilfekliniken zurück. Geburtshilfe und alle damit verbundenen Gesundheitsleistungen (Abklärung akut auftretender Schwangerschafts-beschwerden besonders an Wochenenden, Feiertagen, nachts und in der Ferienzeit, Schwangerschaftsverlaufskontrollen bei Überschreiten des errechneten Geburtstermins etc.) ist für Frauen in den ländlichen Regionen immer schwieriger erreichbar. Die langen Anfahrtswege gefährden die Gesundheit von Schwangeren und Kindern. Eine frühzeitige stationäre Aufnahme führt zu einem höheren Kaiserschnittrisiko.
Wir fordern
Anpassung der vorhanden Geburtshilfestationen an die steigenden Geburtenzahlen durch mehr Personal und
räumliche und technische Anpassung an den höheren Bedarf
Ausbau der Kapazitäten dort, wo im Umfeld Geburtshilfe oder gynäkologische Stationen geschlossen wurden, als zwingende Voraussetzung, wo Veränderungen nicht abwendbar sind.
Ansonsten verschärfen sich die ohnehin problematischen Arbeitsbedingungen in den Geburtsstationen. Keine Massenabfertigung in der Geburtshilfe durch 3, 4 oder 5 Gebärende, die gleichzeitig zu betreuen sind.
Aufnahme der Geburtshilfe in die Grundversorgung der Krankenhausplanung
Dazu gehört die Kopplung der Leistungen als Grundversorgungsbestandteil an den Versorgungsauftrag vor Ort.
Wir fordern
die frühzeitige Identifizierung der Kliniken, in denen eine Schließung drohen könnte, und die Beteiligung von allen Akteuren an der Entwicklung alternativer Lösungen.
Dabei sollten zwingend nur langfristige Lösungen akzeptiert werden, so dass die Träger gezwungen werden, frühzeitig ihre Pläne offen zu legen.
Wir fordern
eine Reform der Finanzierung der Geburtshilfe
ein Geburtshilfestärkungsgesetz, das seinem Namen gerecht wird
Keine Benachteiligung von Kliniken mit geringen Geburtenzahlen, Besserstellung der Bezahlungsmodalitäten bei einer natürlichen Geburt gegenüber einer Entbindung durch Kaiserschnitt.
Wir fordern
Sicherheit für Mutter und Kind bei der Geburt
Wir freuen uns über jedes Kind, das auf die Welt kommt und sind dankbar für die Mütter und Väter, die diesen Kindern eine Zukunft geben. Wir freuen uns über steigende Geburtenzahlen. Das ist uns eine Verpflichtung, hier hinzuschauen und die gute Versorgung abzusichern.
Wir fordern
gleiche Lebensverhältnisse in Stadt und Land
Zukunftsfähigkeit und Lebendigkeit der ländlichen Regionen hängen auch von der Anzahl der Geburten ab. Nur dort, wo eine geburtsmedizinische Versorgung sichergestellt ist, sind auch Bleibe- und Rückkehrperspektiven für junge Frauen und ihre Familien vorhanden. Auch im ländlichen Raum haben Frauen ein Recht auf eine gute und vor allem wohnortnahe Versorgung während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett.
Wir fordern
Sicherheit – Klarheit - Gleichheit